Baumporträt: Die Rosskastanie – ein Siedlungsbaum mit großem Nutzen

Die braunen Früchte der Rosskastanie liegen im Gras, einige sind aus ihren stacheligen Hüllen gefallen.

Jetzt im Herbst fallen nicht nur die Blätter, sondern auch die runden, braunen Samen der Rosskastanie, die bei Kindern für das Basteln mit Kastanien sehr begehrt sind. Die großen Samen neigen manchmal aber auch dazu, auf parkende Autos zu knallen oder gar auf den Kopf von nichts ahnenden Passanten. Wenn man sich dann von dem Schreck der schmerzhaften „Kopfnuss“ erholt hat, lohnt es sich durchaus, die braunen Kastanien aufzusammeln. Sie sind zu vielerlei nützlichen Dingen zu gebrauchen.

Zwei Arten von Kastanien: Gleicher Name, aber keine Verwandtschaft

Es gibt bei uns zwei Bäume, die man als „Kastanie“ bezeichnet: Die Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) und die Esskastanie (Castanea sativa), die in manchen Gegenden auch „Marone“ genannt wird. Die beiden Kastanien sind allerdings überhaupt nicht miteinander verwandt, obwohl sie ähnlich aussehende stachelige Igelfrüchte und große, braune Samen ausbilden. Die Rosskastanie gehört zur Familie der Seifenbaumgewächse und die Esskastanie zählt zu den Buchengewächsen, ist also mit der Buche verwandt.

Der Name „Rosskastanie“ hat einen Bezug zu Pferden, aber nicht weil diese damit gefüttert wurden, denn die Samen sind für Pferde giftig. Die Namenszusätze „Ross-“ oder „Hunds-“ wurden früher oft verwendet, um falsche, unechte oder ungenießbare Pflanzen zu benennen. Zum Beispiel „Hundsrose“ und „Gartenrose“ oder „Rossminze“ und „Pfefferminze“. In unserem Fall wird damit die ungenießbare Rosskastanie gegenüber der wohlschmeckenden Esskastanie abgegrenzt.

Die gefingerten Blätter der Rosskastanie unterscheiden sich von den gezackten Blättern der Esskastanie.© CC0 / ulleo

Gefördert vom Sonnenkönig

Die Rosskastanie kam erst im 16. Jahrhundert aus dem Nahen Osten nach Mitteleuropa. Im Jahr 1576 wurde ein aus Konstantinopel mitgebrachter Samen in Wien erstmals gepflanzt, und zwar durch den Botaniker Carolus Clusius (1526–1609). Er verfasste die erste wissenschaftliche Beschreibung des „neuen“ Baums.

Dann entstand schnell ein reger Kastanientausch zwischen den Fürstenhäusern. Gefördert hat den Neuling vor allem der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. (1638–1715), der den majestätischen Baum als Zierde in seinen Gärten pflanzen ließ. Ludwig war der Superstar des damaligen Adels, weswegen andere Fürsten ihn gern kopierten. Somit war die Kastanie sehr bald in allen Fürstenhäusern als Park- und Alleebaum zu finden. Der erfolgreichen Ausbreitung des „französischen“ Modebaums stand nichts mehr im Wege. 1672 pflanzte man die erste Kastanie in Berlin.

Die Rosskastanie zeigt eine faszinierende Blütenpracht

Die Beliebtheit der Rosskastanie beim Adel hängt auch mit der einzigartigen Blütenpracht zusammen, die Ende April/Anfang Mai beginnt. Die vielblütigen Blütenstände mit bis zu 100 Einzelblüten erinnern an Kerzenschmuck. Die cremefarbenen Einzelblüten besitzen ein gelbes Saftmal, das den Bienen und Hummeln anzeigt: Hier ist reichlich Nektar zu finden. Sobald die Bestäubung abgeschlossen ist, wird die Nektarproduktion eingestellt und das Saftmal färbt sich rot. Dies ist für die Bienen das Signal, dass sich der Besuch der Blüte nicht mehr lohnt. Die Rosskastanie lenkt mit diesem Ampelsystem die Insekten dorthin, wo noch bestäubt werden muss, und erspart ihnen vergebliche Besuche von leergesaugten Blüten. Eine wunderbare Anpassung zwischen Bäumen und Insekten.

Die weißen Blüten der Rosskastanie werden von einer Biene besucht.
Die Rosskastanie zeigt ganz genau an, wo es für Insekten noch was zu holen gibt.© CC0 / Alex Basov

Nahrung in Notzeiten

Die Samen der Rosskastanie enthalten mit 30 Prozent sehr viel Stärke. Sie sind aber ungenießbar und sogar leicht giftig. In Kriegs- und Notzeiten nutzte man sie jedoch trotzdem, und zwar durch Entfernen der unverträglichen Saponine und Gerbstoffe. Dazu musste man die geschälten Samen aufwendig „entbittern“, indem man sie in Wasser aufkochte und diesen Vorgang mit frischem Wasser mehrmals wiederholte. Danach wurden sie getrocknet und gemahlen. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in manchen Regionen große Sammelaktionen, um Kastanienmehl zu produzieren. Außerdem röstete man die Samen ähnlich wie Eicheln und nutzte sie als Kaffee-Ersatz. Doch damit nicht genug: Die Kastanien waren auch eine heimische Alternative zu den indischen Waschnüssen. Denn man nahm die saponinhaltigen Samen auch, um daraus Kastanien-Waschmittel herzustellen.

Magische Heilkunde mit der Rosskastanie

Kastanien galten früher als vorzügliches Mittel gegen Rheuma und Gicht. Allerdings musste man sie dazu nicht einnehmen. Es genügte, drei Kastanien in der linken Hosentasche bei sich zu tragen. Weitverbreitet war dieser Brauch auch gegen den sogenannten Wolf, womit das Wundscheuern zwischen den Beinen gemeint war. Diese abergläubische Anwendung hat sich bei Wanderern, Radfahrern und Reitern vereinzelt bis heute gehalten.

Nutzung der Rosskastanie in Volksmedizin und moderner Phytotherapie

In der Volksmedizin nutzte man auch die wunderschönen Blüten der Rosskastanie für einen Tee – wegen der hustenlösenden und harntreibenden Wirkung. Außerdem verarbeitete man die Blüten in alkoholischen Einreibemitteln, um Gicht und Rheuma zu lindern. Der englische Arzt Edward Bach setzte die Blüten der Rosskastanie in seiner Bachblütentherapie ein. Die Bachblüte „White Chestnut“ ist angesagt, wenn bestimmte Gedanken und Probleme einen nicht loslassen und alles nur darum kreist. Die „Gedanken-Blüte“ bringt dann die geistige Ruhe und Klarheit.

Ein großer Kastanienbaum hat einer Vielzahl weißer Blüten.
Die Blüten der Rosskastanie wurden auch medizinisch genutzt.© CC0 / Kapa65

In der aktuellen Phytotherapie nutzt man die glänzend braunen Samen zur Herstellung von Heilmitteln. Die Samen besitzen eine venentonisierende und venenabdichtende Wirkung, die wissenschaftlich belegt ist. Die Wirkung beruht vor allem auf einem Gemisch aus Triterpen-Saponinen (Aescin), das gefäßabdichtende, gefäßschützende, entzündungshemmende und antiödematöse Wirkungen besitzt. Das Hauptanwendungsgebiet sind Erkrankungen der Beinvenen (chronische Venenschwäche), wie etwa Schwellungen, Schmerzen, Wadenkrämpfe, Schweregefühl in den Beinen und Krampfadern. Die standardisierten Fertigpräparate wendet man sowohl innerlich als auch äußerlich in Form von Salben oder Cremes an.

Die Rosskastanie in Not

Seit einigen Jahrzehnten kränkelt die Rosskastanie. Sie bekommt schon häufig braune Blätter, bevor der eigentliche Herbst beginnt. Die Rosskastanie hat gleich mit drei Problemen auf einmal zu kämpfen: Zum einen mit der sogenannten Miniermotte, zum anderen mit einem Bakterium mit dem Namen Pseudomonas. Und außerdem stresst der Klimawandel die angeschlagenen Bäume zunehmend. Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hat die Gewöhnliche Rosskastanie deshalb mittlerweile als „gefährdet“ eingestuft.

Die Miniermotte schadet der Rosskastanie

Seit 1993 wird die Rosskastanie in Deutschland von einer kleinen Mottenart bedroht. Die Rosskastanien-Miniermotte ist dafür verantwortlich, dass die fraßgeschädigten Blätter bereits im Sommer welken und die Bäume ihr Laub verlieren. Gefährdet ist vor allem die weißblühende Art, während die Rote Rosskastanie verschont bleibt.

Die rote Rosskastanie blüht mit kräftigen rosafarbenen Blüten.
Die Miniermotte legt ihre Eier bevorzugt auf den Blättern der Weißen Rosskastanie ab, während die Rote Rosskastanie verschmäht wird.© CC0 / Kapa65

Das Bakterium Pseudomonas

Das größere Problem der Kastanie ist das Bakterium Pseudomonas, das seit etwa 15 Jahren hierzulande die Rosskastanien befällt. Betroffen sind Bäume jeglichen Alters – und zwar sowohl rot- als auch weißblühende Kastanien. Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass sich die Krankheit über die Luft überträgt. Der Befall zeigt sich zuerst in Form von schwarzen Stellen am Stamm. Hier siedeln sich Pilze an, die die Kastanienbäume nach und nach absterben lassen.

Rezept für Rosskastanien-Tinktur

Zutaten

  • 150 g frische Kastanien
  • ca. 500 ml Ethanol, 70 %
  • scharfes Messer oder Gartenschere
  • optional Mixer

Zubereitung

  1. Die frischen Rosskastanien schälen und mit einem guten Messer oder einer Gartenschere in kleine Stücke schneiden. Auch ein Mixer kann beim Zerkleinern gute Dienste leisten.
  2. Die Kastanien in ein Schraubglas füllen und sie mit dem Alkohol übergießen, bis sie vollständig bedeckt sind.
  3. Das Glas verschließen und zwei Wochen an einem warmen Ort ziehen lassen.
  4. Die Tinktur durch einen Kaffeefilter abgießen.

Anwendung: Für Umschläge und Kompressen gibt man davon 2 TL auf 200 ml Wasser (zweimal täglich für 15 bis 20 Minuten auflegen). Man kann die Tinktur auch unverdünnt einmassieren. Die Einreibung eignet sich nicht nur bei Venenschwäche sowie müden und geschwollenen Beinen, sondern auch bei Verstauchungen, Blutergüssen, Durchblutungsstörungen und rheumatischen Schmerzen.

Rezept für Rosskastanien-Venencreme

Zutaten

  • 50 ml Olivenöl
  • 2 frische Kastanien (ca. 25 g)
  • 4 g Bienenwachs
  • 15 g Lanolin, anhydrid
  • 40 ml Rosskastanien-Tinktur (siehe Rezept oben)
  • 4 g Sheabutter
  • 10 Tropfen ätherisches Rosmarinöl
  • 6 Tropfen ätherisches Zitronenöl
  • 4 Tropfen ätherisches Wacholderbeeröl

Zubereitung

  1. Zunächst das Rosskastanien-Ölmazerat herstellen: Kastanien im Mixer zerkleinern und fünf bis sechs Tage an einem warmen Ort im Olivenöl ausziehen lassen.
  2. 40 ml Rosskastanienöl in ein Becherglas geben und darin Bienenwachs sowie Lanolin auf 65 °C erhitzen, bis alles geschmolzen ist.
  3. Parallel dazu in einem anderen Becherglas die Tinktur auf 65 °C erhitzen.
  4. Die Tinktur langsam unter beständigem Rühren in die Öl-Wachs-Mischung gießen, sodass die Mischung emulgiert.
  5. Vom Herd nehmen und die Creme so lange rühren, bis sie auf 40 °C abgekühlt ist.
  6. Sheabutter und ätherische Öle dazugeben und noch einige Minuten weiterrühren. In Cremedöschen füllen, abkühlen lassen und verschließen.
  7. Kühl aufbewahrt hält die Creme zwei bis drei Monate.

Anwendung: Massieren Sie mit der Creme täglich Ihre Beine von unten nach oben.

 

Hinweis: Dieser Beitrag wurde mit größter Sorgfalt erstellt. Der Autor ist jedoch kein Arzt oder Apotheker. Die im Beitrag gegebenen Informationen sind nicht als Gesundheitsberatung zu verstehen. Besprechen Sie eine Anwendung der Tipps mit gesundheitlichem Bezug daher bitte mit Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt.

 

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