„O Tannenbaum …“ – eine kleine Kulturgeschichte des Weihnachtsbaumes
29,8 Millionen Weihnachtsbäume werden jedes Jahr in Deutschland verkauft. Der jährliche Umsatz liegt bei 715 Millionen Euro. Fast in jedem zweiten Haushalt steht zur Weihnachtszeit ein geschmückter Baum – und immer mehr von ihnen dürfen im Topf wachsen. Es ist kein aussterbender Brauch, denn immer mehr Menschen entscheiden sich für diese Tradition. Deshalb wollen wir uns auf Spurensuche begeben und erkunden, wo dieser Brauch herkommt und welche ursprüngliche Bedeutung dahintersteckt.
Inhalt
„Who is who“ der Weihnachtsbäume
Das Weihnachtslied „O Tannenbaum“ deutet an, welchen Baum wir zum Weihnachtsbaum gekürt haben: die heimische Weiß-Tanne (Abies alba). Der Tannenbaum ist sozusagen ein Synonym für den Weihnachtsbaum. Allerdings ist die Tanne heute nicht mehr dick im Geschäft, denn der Weihnachtsbaumumsatz wird zu 90 Prozent mit ausländischen Baumarten abgewickelt. Die verbleibenden 10 Prozent teilen sich die heimische Fichte und Tanne, wobei der Tannenbaum (3 Prozent) das Schlusslicht bildet. Früher waren diese beiden Bäume der einzige „Rohstoff“ für den Weihnachtsbaum. Die Newcomer, die jetzt den Markt beherrschen, heißen Nordmanntanne und Blaufichte. Die Nordmanntanne (Abies nordmaniana) kommt aus dem Kaukasus und die Blaufichte (Picea pungens) aus Nordamerika. Beide Arten werden bei uns extra für das Weihnachtsgeschäft in Plantagen angebaut.
Wie schon gesagt, standen früher in den Wohnzimmern nur Fichte und Tanne. Genau genommen eigentlich nur Fichten, denn die Tanne ist in deutschen Wäldern mit 2 Prozent der Waldfläche ein relativ seltener Baum, während die Fichte (Picea abies) mit 26 Prozent der häufigste Waldbaum ist. Warum nun der Weihnachtsbaum, obwohl er in der Regel eine Fichte war, trotzdem den Namen Tannenbaum bekam, liegt vor allem daran, dass unsere Vorfahren die beiden Bäume nicht unterschieden. Wenn sie schon damals in einen Topf geworfen wurden, sollte es uns nicht verwundern, dass sie noch heute oft verwechselt werden.
Tanne oder Fichte? So kann man sie unterscheiden
Die Fichte hat spitze, stechende Nadeln. Sie sind im Querschnitt vierkantig und rundum dunkelgrün. Die Tanne hat dagegen flache, breite und biegsame Nadeln. Sie sind vorne stumpf und haben auf der Nadelrückseite zwei deutlich sichtbare längliche weiße Streifen. Ein Sprichwort verdeutlicht den Unterschied der Fichten- und Tannennadeln: „Die Fichte sticht, die Tanne nicht!“ Außerdem besitzt nur die Fichte Zapfen, die als Ganzes herunterfallen. Tannenzapfen findet man auf dem Waldboden keine. Auch hier wird die Botanik gerne auf den Kopf gestellt, denn die meisten Menschen sagen zu den Fichtenzapfen Tannenzapfen.
Bedeutung der Tradition: Grüne Zweige schützen das Haus und bringen Fruchtbarkeit
Egal ob Tanne oder Fichte, der Brauch des Weihnachtsbaumes ist noch gar nicht so alt. So war er beispielsweise im Jahre 1860 in ganz Bayern noch so gut wie unbekannt. Der geschmückte Baum entwickelte sich aus einer viel älteren Tradition, die bis in germanische Zeiten zurückreicht: Damals wurden keine Bäume, sondern lediglich die Zweige immergrüner Nadelhölzer in die Stube gelegt. Dabei ging es den Menschen um drei Dinge:
- Immergrüne Zweige galten als Symbol, dass der Winter besiegt werden kann, denn sie trotzten Dunkelheit und Kälte. Die grünen Nadeln symbolisierten die Hoffnung auf das Wiedererwachen der Natur und den baldigen Frühling.
- Die Zweige der mächtigen Nadelbäume hatten zudem eine Abwehr-und Schutzfunktion, denn die Welt unserer Vorfahren war voller Geister. Man traute den Fichten und Tannen zu, dämonische Wintergeister und sonstige gespenstische Wesen fernzuhalten. Außerdem glaubte man, dass die grünen Zweige die guten Hausgeister anlocken würden. Deshalb wurden in der dunkelsten Zeit des Jahres Türen und Fenster sowie alle Zimmer mit Fichten- und Tannenreisig geschmückt.
- Fichte und Tanne waren nicht nur Symbol für den herbeigesehnten Frühling, sondern auch für die Fruchtbarkeit. Und diese glaubte man mittels der grünen Zweige übertragen zu können: Sie wurden zu Ruten gebunden und mit dieser sogenannten „Lebensrute“ schlug man in der Weihnachtszeit junge Frauen und weibliche Tiere, um deren Fruchtbarkeit anzuregen. Das nannte man auch „kindeln“, weil es um das Kinderbekommen ging. Der Knecht Ruprecht mit seiner Rute ist noch eine vage Erinnerung an diesen alten Fruchtbarkeitsbrauch. Außerdem sollte jeder, der die Schläge bekam, im kommenden Jahr von Krankheiten verschont bleiben.
Was kaum noch einer weiß: Die Kirche lehnte einst den Baum als heidnischer Brauch ab
Die grünen Fichten- und Tannenzweige, die man sich während der „Rauhnächte“ ins Haus holte, nannte man „Weihnachtsmaien“. Dieser Brauch war von der Kirche verständlicherweise gar nicht gerne gesehen. Er galt nämlich genau wie das Verschenken von Gaben als heidnischer Brauch, der damals übrigens nicht an Weihnachten, sondern an Neujahr ausgeübt wurde. So schimpfte der Straßburger Domprediger Johann Geiler 1508 von der Kanzel: „Weihnachten in der Weise zu feiern, wie die Heiden Neujahr begingen, nämlich etlich mit Tanzen und Springen, andere mit Stechen, andere mit Tannreiß in die Stube legen, andere mit Bechern, andere dass sie einander Gaben schicken, Lebkuchen und Wein!“ Sein Schimpfen über die Tannenreißer schien seine Schäfchen nicht nachhaltig zu beeindrucken. Denn aus den „Weihnachtsmaien“ wurde recht bald ein ganzer Baum: der Weihnachtsbaum.
Wie es dann doch zum Tannenbaum kam: Sein Siegeszug über alle Kontinente
Die älteste Erwähnung eines Weihnachtbaumes stammt aus Freiburg und zwar aus dem Jahre 1419. Die Zunft der Freiburger Bäcker hatte im Heilig-Geist-Spital einen Baum mit Backwerk, Früchten und Nüssen geschmückt, den die Kinder der Armen an Neujahr plündern durften. Die Tannen- oder Fichtenbäume wurden damals übrigens nicht aufgestellt, sondern verkehrt herum an die Decke gehängt.
Erst in den Jahren 1521 und 1539 wird wieder ein mit Äpfeln und Oblaten geschmückter Weihnachtsbaum in Straßburg urkundlich belegt. Diese Bäume waren bei der Geistlichkeit genauso wenig beliebt wie die Weihnachtsmaien, denn es war ja auch eine Fortführung der abergläubischen Baumkulte. Der Theologe Johann Konrad Dannhauser wettert 1654 in Straßburg gegen die Unsitte des Weihnachtsbaums: „Unter anderen Lappalien, damit man die alte Weihnachtszeit oft mehr als mit Gottes Wort begeht, ist auch der Weihnachts- oder Tannenbaum, den man zu Hause aufrichtet, denselben mit Zucker und Puppen behängt und ihn hernach abschüttelt und abblümen lässt. Wo die Gewohnheit herkommt weiß ich nicht.“ Abblümen ist ein altes Wort für plündern.
Doch aller Widerstand nützte nichts, der Brauch des Weihnachtsbaums breitete sich bald in ganz Deutschland aus. Zunächst nur in adeligen Kreisen und dann auch im gehobenen Bürgertum. Auswanderer nahmen ihn schließlich im 18. Jahrhundert mit nach Amerika und von dort verbreitete er sich auf allen Kontinenten. Und auch von der Kirche wurde er schließlich aufgenommen: Als Christbaum, das Symbol für Christi, der das Licht in die Welt trägt. Seit dem 19. Jahrhunderts gehört der Weihnachtsbaum dann unverzichtbar zum Weihnachtsfest. In vielen Gegenden trägt er immer noch den Namen Tannenbaum, auch wenn es sich, wie wir gelernt haben, in den seltensten Fällen um eine Tanne handelt.
Der Weihnachtsbaum als Heilpflanze
Sowohl Tanne, als auch Fichte sind heilwirksam. Die ätherischen Öle, die in den Nadeln und im Harz der Bäume vorkommen, wirken schleimlösend und antiseptisch, weshalb sie vor allem bei Atemwegserkrankungen eingesetzt werden. Außerdem wirken sie äußerlich auf der Haut durchblutungsfördernd und entzündungshemmend. Deshalb nutzt man sie als Einreibung oder Badezusatz bei rheumatischen Beschwerden und bei Muskelschmerzen. Zu diesem Zweck sind sie beispielsweise Bestandteil des Franzbranntweins.
Im Frühling können Sie sich aus den hellgrünen Fichten-und Tannentrieben einen wunderbaren Hustensirup herstellen, indem Sie ca. 300 g frische Fichtentriebe schichtweise mit 500 g braunem Zucker in ein Glas füllen. Zum Schluss mit einer Schicht Zucker abschließen, festpressen und 2 Wochen ziehen lassen. Der Zucker löst sich auf und der Sirup kann abgefiltert werden.
Essbarer Tannenbaum? Ja, die Triebspitzen im Frühjahr sind köstlich
Die jungen weichen Maitriebe sind nicht nur gesund, sondern auch sehr lecker. Sie haben ein säuerlich-zitroniges Aroma, das man von einem Nadelbaum gar nicht erwartet. Die hellgrünen Triebspitzen enthalten sehr viel Vitamin C und ß-Karotin (Provitamin A). Der Vitamin C-Gehalt übertrifft mit 200 mg/100 g die Orange um das Vierfache! Probieren Sie es im kommenden Frühling aus! Überraschen Sie ihre Gäste mit einem ganz besonderen Aroma: Entweder Sie kochen daraus Gelee und Sirup oder Sie aromatisieren damit Spirituosen, Likör, Essig und Limonade.