Lichtverschmutzung: Zu viel Licht zur falschen Zeit

Eine Stadt erhellt durch die vielen Lichter den Nachthimmel und trägt zur Lichtverschmutzung bei.

Die Nacht: Für die einen ist sie traditionell eine Zeit der Regeneration, die anderen werden in der Dunkelheit erst richtig aktiv. Wir Menschen bemühen uns nach Kräften, die Nacht wortwörtlich zum Tag zu machen, indem wir sie künstlich erhellen. Straßenlampen und Leuchtreklamen: Licht gibt uns das Gefühl von Sicherheit, erweckt Aufmerksamkeit und eignet sich wunderbar dazu, Gebäude in Szene zu setzen. Laut Angaben des Deutschen Geoforschungszentrums GFZ wird es in einigen Bundesländern jährlich um bis zu vier Prozent heller – Tendenz steigend. Das ist ein Problem, denn zu viel künstliche Beleuchtung bei Nacht kann den menschlichen Biorhythmus durcheinanderbringen. Und auch für die Umwelt bleibt es nicht ohne Folgen. Pflanzen und Tiere, allen voran nachtaktive Insekten, leiden unter der Lichtverschmutzung.

Die Abwesenheit von Tageslicht hat ihre Berechtigung

Doktor Franz Hölker arbeitet am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Er erforscht seit vielen Jahren die Zusammenhänge zwischen Licht und dessen Auswirkungen auf unsere Umwelt. „Licht spielt eine zentrale Rolle für alles Leben auf der Erde – als Biologe hat mich das schon immer fasziniert. Doch auch die Abwesenheit von Tageslicht hat ihre Berechtigung“, so der Experte. Lichtverschmutzung beziehungsweise die fehlende Dunkelheit und die damit verbundenen negativen Konsequenzen auf Mensch und Natur seien jedoch den wenigsten bewusst.

Lichtverschmutzung: Auch der Mensch bekommt die Folgen zu spüren

Einige von uns spüren die Auswirkungen von Lichtverschmutzung bereits am eigenen Leib. Lichtempfindliche Menschen können nachts insbesondere in Städten nur noch bei heruntergelassenen Rollläden einigermaßen gut schlafen. In Großstädten ist es mitunter fast so hell wie am Tag. Bei Schichtarbeitenden werden Folgen wie Magen-Darm-Probleme, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Konzentrationsschwäche festgestellt. Der Mensch reagiere – ebenso wie andere Wirbeltiere – empfindlich auf Lichtveränderungen. Das Hormon Melatonin informiere die Zellen, wann es Zeit zum Regenerieren sei. Der Körper produziere das Hormon aber erst in ausreichendem Maße, wenn es dunkel werde, so Hölker. Der Rhythmus von Tag und Nacht hängt also stark mit dem Gleichgewicht von Licht und Dunkel zusammen.

Lichtverschmutzung beschleunigt das Insektensterben

Besonders für Insekten stellen die zunehmenden Lichtemissionen eine Gefahr dar. Hölker erklärt, viele nachtaktive Exemplare seien sehr lichtempfindlich. Nachtfalter, Köcherflieger oder Käfer etwa verfügten über leistungsfähige Schwachlichtsensoren. Diese würden sie benötigen, um sich bei Mond- und Sternenlicht zu orientieren. Das künstliche Licht jedoch sei für sie zu hell. Es blende und irritiere sie. Dadurch flögen sie sprichwörtlich „wie die Motten zum Licht“. Dies führe zu einem Verlust von Zeit und Energie und die Tiere verendeten oft an ihrer Erschöpfung.

Ein Falter sitzt an einem Rohr, das vom Licht angestrahlt wird.
Viele Insekten werden von Lichtquellen angezogen.© CC0 / A_Dark_Fox

Lichtemissionen mit „Staubsaugereffekt“: Insekten fehlen dort, wo sie gebraucht werden

Expertinnen und Experten sprechen bei der Anziehung durch Licht vom sogenannten Staubsaugereffekt. Die nachtaktiven Insekten werden von ihren eigentlichen Zielorten „abgezogen“ und fehlen dort als Nahrungsquelle für andere Lebewesen. Zudem macht sich ihr Fehlen als Abbauhelfer für organisches Material, als natürliche Schädlingsbekämpfer und zum Bestäuben von Pflanzen bemerkbar. So gerieten komplette Ökosysteme aus dem Gleichgewicht, warnt Hölker. Einigen Tieren gelinge es, Lichtbarrieren – wie hell beleuchtete Straßen – zu passieren. Allerdings koste es unverhältnismäßig viel Kraft, die ihnen dann für die erfolgreiche Futter- und Partnersuche oder zum Entkommen vor Feinden fehle.

Lichtverschmutzung hemmt Kommunikation und Fortpflanzung

Hölker und sein Team haben festgestellt, dass einige Stechmückenarten bei nächtlicher Beleuchtung weniger Eier legen. „Da sind die meisten von uns erst einmal nicht traurig drüber, denn Stechmücken sind uns eher lästig. Doch auch sie spielen eine wichtige Rolle, zum Beispiel als Nahrungsquelle für Amphibien und Fische“, gibt der Experte zu bedenken. Zu viel Licht erschwert außerdem die Kommunikation bei der Partnersuche – etwa bei Glühwürmchen. Die Weibchen signalisieren mit ihren glühenden Leuchtorganen ihre Paarungsbereitschaft. Bei zu viel künstlicher Beleuchtung am Abend beginnen sie deutlich später zu leuchten, oder verzichten ganz auf diese Art der Kommunikation. Die Männchen suchen dann vergeblich nach einer Partnerin.

Welche Tiere profitieren von unseren Lichtemissionen – und welche können sich anpassen?

Wie so häufig in der Natur gibt es Tiere, die von der zunehmenden Lichtverschmutzung profitieren. Spinnen, Fledermäuse oder Aaskäfer zum Beispiel würden in Form von toten oder desorientierten Insekten reichlich Nahrung vorfinden. Auch die Populationen von Nacktschnecken schienen sich bei mehr Licht besser zu entwickeln, so der Experte. Bei manchen Tieren ist es möglich, dass sie sich im Laufe der Evolution an die neuen Lichtverhältnisse anpassen. So hat man zum Beispiel festgestellt, dass einige Nachtfalter in der Stadt schon heute weniger lichtempfindlich sind als ihre Artgenossen vom Lande. „Allerdings wird die Anpassung nur bei kurzlebigen Arten mit hohen Reproduktionszahlen schnell genug stattfinden“, gibt der Wissenschaftler zu bedenken.

Welches Licht ist problematisch?

Nicht jede Art künstlichen Lichts ist in gleichem Maße schädlich. Kaltes, blaues oder ultraviolettes Licht zieht beispielsweise mehr Insekten an als warmweißes, gelbliches oder orangefarbenes. Auch das Design der verwendeten Lampen kann darüber entscheiden, wie stark Lebewesen von ihnen angezogen werden. Höcker warnt davor, dass Licht breit gestreut werde und den Himmel sowie die Natur unnötig anstrahle. Besser sei es, wenn man das Licht gezielt zur Beleuchtung von Gebäuden und Straßen einsetze.

Glühbirnen hängen als Lampen an Kabeln von der Decke.
Warmes, gelbes Licht irritiert Insekten im Dunkeln nicht so sehr.© phRed - stock.adobe.com

Lichtverschmutzung braucht einen rechtlichen Rahmen

Seit sich Hölker mit dem Thema Lichtverschmutzung beschäftigt, hat er festgestellt: Insgesamt steige das öffentliche Interesse, doch das Problembewusstsein sei noch nicht in der Breite der Bevölkerung angekommen. Einige Städte hätten mittlerweile Lichtkonzepte erarbeitet. Die Bundesregierung hätte das Thema in ihr Aktionsprogramm Insektenschutz aufgenommen. Förderprogramme und Regelungen zu Leuchtmitteln würden hier erarbeitet. Zudem solle es Empfehlungen auf Ebene der Länder und Kommunen, aber auch für Planer, Unternehmen und Privathaushalte geben, so der Experte. In Bayern wurden schon 2019 Einschränkungen für Außenbeleuchtungsanlagen im Naturschutzgesetzt verankert.

Gehen Sie Ihren Lichtemissionen auf den Grund

In jedem Fall lohnt es sich, die eigenen Gewohnheiten zu hinterfragen. Auch sollte man Menschen aus dem eigenen Umfeld oder die örtliche Bürgermeisterin beziehungsweise den Bürgermeister auf die Problematik hinweisen. Der Wissenschaftler rät, die Beleuchtung des eigenen Zuhauses bei Nacht zu analysieren. Solarlampen solle man dabei nicht vergessen.

Konkret sollten Sie prüfen:

  • Wo brennt wie oft Licht und ist das tatsächlich notwendig?
  • Muss das Licht wirklich so hell sein?
  • Können Sie eventuell ein grellweißes gegen ein gelbliches Leuchtmittel austauschen?
  • Verfügt die Lampe über ein Schutzglas, damit Insekten sich daran nicht verbrennen?
  • Wird die Lampe per Bewegungsmelder gesteuert und wird dadurch die Beleuchtungsdauer auf ein Minimum reduziert?
  • Strahlt die Lampe dorthin, wo Sie Ihr Licht benötigen, oder beleuchtet sie auch Himmel und Umgebung?

 

Hölker resümiert: „Wie bei den meisten umweltrelevanten Aspekten gilt auch beim Thema umweltfreundliche Beleuchtung: Weniger ist oft mehr.“ In diesem Sinne: einfach mal öfter abschalten.

 

Schreiben Sie einen Kommentar

* Diese Felder sind Pflichtfelder.