Nassverfahren in der Textilherstellung: Einblick in die Lieferkette bei Waschbär

In einer großen Industriemaschine wird das Nassverfahren bei Jeans durchgeführt.

Bunte Shirts, knitterfreie Hemden, wasserabweisende Jacken: Das ist praktisch und schön. Aber dafür sind meist sogenannte Nassverfahren notwendig – und die gelten in der Textilherstellung als besonders kritisch. Warum ist das so? Und wie schneiden eigentlich Waschbär-Textilien beim Bleichen und Färben ab? Darüber haben wir mit unserer Textilexpertin Simone Seisl gesprochen.

Nassverfahren bei Waschbär: Analyse der Nassveredelung von Textilien

Mit der Detox My Fashion-Kampagne fordert Greenpeace seit 2011 globale Modemarken dazu auf, bestimmte Chemikalien aus ihren Lieferketten zu verbannen und sich so für den Schutz von Gewässern in den Produktionsländern einzusetzen. Viele Unternehmen haben reagiert, aber in vielen Fabriken vor Ort besteht das Problem noch immer. Konsequente Abwasseraufbereitung ist aufwändig und teuer.

Schon vor der Detox-Kampagne hat sich Waschbär auf einem nachhaltigeren Kurs bewegt und kritische Chemikalien ausgeschlossen. Dass sich das jahrelange Engagement gelohnt hat, zeigt eine Analyse der Nassveredlung von Waschbär-Textilien, über die wir mit Simone Seisl gesprochen haben.

Simone Seisl im Interview über das Nassverfahren von Waschbär-Textilien

Frau Seisl, was sind eigentlich Nassverfahren

Das sind verschiedene Arbeitsschritte, die meist unter dem Begriff Nassveredlung zusammengefasst werden. Zuerst wird der Textilstoff vorbehandelt. Beim Bleichen kommt weltweit immer noch Chlor zum Einsatz. Danach werden die Stoffe gefärbt und bedruckt und die Farben fixiert. Und dann kommen weitere Schritte, die man Ausrüstung nennt. Damit wird unter anderem erreicht, dass die Stoffe weich oder flauschig werden und stabil bleiben, sich also nicht verdrehen oder einlaufen. Das sind einfache Ausrüstverfahren. Wenn das Hemd oder die Hose am Ende auch noch brillant weiß, bügelleicht, antibakteriell oder wasserabweisend sein soll, wird zusätzlich chemisch ausgerüstet.

Die Nassveredelung gilt in der Textilherstellung als besonders kritisch. Warum? 

Zum einen, weil sich dabei ständig Wasch- und Trocknungsphasen abwechseln, oft bei hohen Temperaturen. Dabei wird viel Wasser und Energie gebraucht. Das nächste Problem: In diesem Teil der Lieferkette werden sehr viele Chemikalien eingesetzt. Wenn wir farbenfrohe, bequeme Kleidung haben wollen, die nicht kratzt, schrumpft oder abfärbt, dann ist das ohne Chemie nicht möglich. Aber beim Färben und chemischen Ausrüsten kommen leider weltweit Substanzen zum Einsatz, die die Gesundheit gefährden, zum Beispiel krebserregend oder erbgutschädigend wirken, und sehr umweltschädigend sein können.

Und was hat das für Folgen? 

Wenn Chemikalien nicht sicher gehandhabt werden, besteht für die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Fabriken natürlich ein hohes Gesundheitsrisiko. Und dann haben wir das Thema Wasserverschmutzung. Die Textilindustrie, das wird oft erwähnt, ist für bis zu 20 Prozent der globalen Wasserverschmutzung verantwortlich. Das liegt daran, dass die Färbemittel und Prozesschemikalien zum Großteil wieder ausgewaschen werden und im Abwasser landen können. Selbst wenn es Gesetze zur Abwasserreinigung gibt, führen fehlende Kontrollen und Korruption oft dazu, dass die Abwässer ungeklärt in die Gewässer geleitet werden.

So können schädliche Chemikalien ins Grundwasser gelangen und auch in die Nahrung, wenn mit dem schmutzigen Wasser die Felder bewässert werden. Im indischen Tiruppur, zum Beispiel, waren die Flüsse so kontaminiert, dass die Felder flussabwärts versalzten und kaum noch etwas wuchs. Erst nach jahrelangem Kampf vor den Gerichten konnten die Bauern erreichen, dass hunderte ansässige Färbereien schließen mussten und alle Kläranlagen geprüft wurden.

Was macht Waschbär dagegen? 

Waschbär ist sich dieser Problematik schon lange bewusst. Ich habe mir alte Kataloge aus den 1990er-Jahren angeschaut. Bereits da haben wir angefangen, unsere Textilien zu deklarieren und den Einsatz kritischer Chemikalien wie zum Beispiel synthetische Ausrüstungen und Chlorbleiche zu verbieten. Das hat Waschbär gemacht, bevor es unabhängige Standards dafür gab. In der Zwischenzeit ist viel passiert. Wir haben eine an hohen Standards orientierte Lieferkette aufgebaut und Transparenz auch bis zu den Nassverfahren erlangt. Um die gesamte Kette zu kennen, haben wir entsprechende Prozesse etabliert. Und wenn wir unsere Lieferenten auswählen, prüfen wir, ob diese unsere hauseigenen ökosozialen Kriterien erfüllen und zusätzlich unabhängig zertifiziert sind. Teil unserer Prozesse sind auch unabhängige Laboruntersuchungen am Endprodukt.

Trotzdem habt ihr die Nassverfahren näher untersucht. Warum? 

Wir können natürlich sagen: In der Textilbranche ist die Nassveredelung zwar problematisch, aber durch unsere Prozesse und Standards ist das bei uns wahrscheinlich nicht der Fall. Doch um dies systematisch beurteilen zu können, kommt die Risikoanalyse ins Spiel, die wir im vergangenen Jahr als Mitglied im Bündnis für nachhaltige Textilien gemacht haben. Damit wird methodisch beleuchtet, wie hoch verschiedene branchenbezogene Risiken in der eigenen Lieferkette sind, und wie es so zu negativen Auswirkungen auf Menschen und Umwelt kommen kann. Ein Aspekt der Analyse ist, welches Risiko entlang unserer Lieferkette von Chemikalien und Abwässern ausgeht, besonders mit Blick auf die Nassverfahren für unsere Eigenmarke an Bekleidung und Heimtextilien.

Wie seid ihr vorgegangen? 

Zuerst haben wir eine Bestandsaufnahme gemacht. Also zusammengetragen, wer die Nassveredler unserer Textilien sind und wie beziehungsweise wo diese arbeiten. Normalerweise ist dieser Teil der Lieferkette eine große Grauzone. Viele wissen gar nicht, wer ihre Textilien veredelt. Unser Vorteil ist unsere hohe Transparenz. Wir fragen die gesamte textile Lieferkette über unsere Produktpässe ab und wissen deshalb genau, wer unsere Textilien bleicht, färbt und ausrüstet.

Und was habt ihr dabei herausgefunden? 

Wir haben herausgefunden, dass 71 Prozent der von uns angebotenen Artikel an Waschbär-Textilien über die gesamte Kette bis zum fertigen Produkt GOTS- (Global Organic Textile Standard) zertifiziert sind. Diese 71 Prozent stehen für 63 Nassveredlungs-Betriebe. An der Produktion der restlichen 29 Prozent, die kein GOTS-Label tragen, sind 18 weitere Partner beteiligt. Hier haben wir uns angeschaut, wie und in welchen Ländern diese agieren: Sie operieren alle in der EU, wo es strenge Abwasser- und Chemikalienrichtlinien gibt. Und was noch bedeutender ist: Über zwei Drittel der 18 Betriebe sind selbst GOTS-zertifiziert. Diese Betriebe stellen zwar keine GOTS-gelabelten Textilien für uns her, weil es sich zum Beispiel um Materialmischungen handelt, aber der zertifizierte Betrieb bleicht, färbt und behandelt diese trotzdem nach GOTS-Standard.

Aktuell durchlaufen damit rund 98 Prozent unserer Textilien GOTS-zertifizierte Nassverfahren und die verbleibenden 2 Prozent arbeiten mindestens nach EU Standards, zusätzlich zum Teil nach ZDHC (Zero Discharge of Hazardous Chemicals*).

*Die Initiative ZDHC hat gemäß Detox eine Chemikalienliste für die Textilindustrie entwickelt. Nur handelt es sich hier um keine Zertifizierung, sondern um eine Selbstverpflichtung der ZDHC-Mitglieder. Die Liste ist in der Branche anerkannt, auch das Bündnis für nachhaltige Textilien orientiert sich daran.

Was sagt das über die Herstellungsbedingungen aus?

GOTS listet Chemikalien und Substanzen, die aus umwelt- und toxikologischen Gründen erlaubt sind. Es ist also ganz klar, was verwendet werden darf und ob zum Beispiel ein bestimmtes Färbe- oder Ausrüstmittel zugelassen ist. Dann geht es auch um die Abwasseraufbereitung. GOTS schreibt vor, dass Abwasser aus den Nassbetrieben in einer eigenen oder kommunalen Abwasseranlage gereinigt werden muss und bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten darf, was regelmäßig kontrolliert wird. Auch die Lagerung der Chemikalien und der Umgang mit den Chemikalien hinsichtlich des Arbeitsschutzes ist Teil des GOTS-Standards, der jährlich geprüft wird.

Wie ist euer Fazit?

Um ein Risiko beurteilen und einstufen zu können, schaut man, welche Faktoren es gibt, die Umwelt- oder Menschenrechtsrisiken in der eigenen Lieferkette mindern oder eliminieren. Und da sind wir dank unseres langen Engagements um zertifizierte, transparente und regionale Lieferketten sehr gut aufgestellt: Wir haben die GOTS-Zertifizierung, die EU-Standorte sowie die Bewertung nach ZDHC.

Damit können wir gewährleisten, dass bei der Herstellung unserer Waschbär-Textilien Chemikalien verantwortungsvoll gemanagt sowie Abwässer ordnungsgemäß geklärt werden und die Menschen, die dort arbeiten, sicher arbeiten. Menschen und Umwelt zu schützen: Dieses Ziel haben wir in der Nassveredelung somit erreicht und werden es konsequent weiterverfolgen.

Über unsere Interviewpartnerin

Nach einem Studium der Mode und Bekleidungstechnik und vielen Jahren in der globalen Bekleidungsindustrie widmet sich Simone Seisl seit 15 Jahren ausschließlich dem Wandel zu einer nachhaltigeren und sozialverträglicheren Textilbranche. Seit 2014 ist sie in verschiedene Projekte bei Waschbär involviert, beispielsweise auch vor Ort bei Lieferanten oder für strategische Themen im Bereich Nachhaltigkeit.

Textilexpertin Simone Seisl im Portät.
Simone Seisl behält als Nachhaltigkeitsmanagerin die Textilproduktion bei Waschbär im Blick.© Waschbär

 

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